nah dran Im Gespräch mit Anastasia Menzel Wie entstehen Deine Choreografien normalerweise? Es kommt immer darauf an, wie man in der Welt steht, was gerade angesagt ist und was man für sich sucht. Sehr häufig arbeite ich mit Choreografen zusammen, die mich schon lange kennen. Sie bringen dann Musik mit, von der sie glauben, dass sie zu mir passen könnte, und ich lege da auch sehr viel Ver- trauen rein. Die Choreografie entwickeln wir dann im Idealfall zusammen, denn wenn man als Tänzer auf der Bühne etwas zeigt, an dem man selbst mitgewirkt hat, dann entsteht etwas Magisches. Viele Leute, mit denen ich gearbeitet habe, kommen aus Slowenien. Ich glaube, dass dieser Style gut zu mir passt, weil man dort sehr athletisch, sehr zackig tanzt. Einige Bewegungen kann man fast schon als roboterartig beschreiben, weil sie nicht so flüssig sind, wie man es sonst aus dem Contemporary gewohnt ist. Einer meiner ehemaligen Choreografen ist heute übrigens Background-Tänzer bei Taylor Swift. Gab es neben »Rules« andere Choreo- grafien, die Du im Laufe der Jahre besonders gern getanzt hast? Ich hab‘ alle irgendwie lieb. Mein Jazz-Solo (»She«, Anm. d. Red.), mit dem ich 2022 Weltmeisterin wurde, mochte ich sehr gerne. Ich hatte damals ein Musikstück im Kopf, zu dem ich tanzen wollte, aber mir fehlte die richtige Version. Mein Dad, der eigentlich nicht so viel mit dem Tanzen zu tun hat, fand das Lied schließlich, und ich war sofort Feuer und Flamme. Auch die drei Tänze, die ich dieses Jahr im Modern, Jazz und Lyrical zeige, liebe ich abgöttisch! Alle drei machen sehr viel Spaß, sie passen zu mir und erzählen eine Geschichte. Wer oder was inspiriert Dich? Zum einen sind es Vorbilder, wie beispiels- weise Briar Nolet aus Kanada, Autumn Miller aus den USA oder auch meine eigene IDO- Konkurrenz. Heute ist es sehr einfach, sich zum Beispiel auf TikTok oder anderen Video- plattformen inspirieren zu lassen. Aber auch unsere Kleinen beeindrucken und motivieren mich sehr, beispielweise wenn ich sehe, wie sich Ilias Araz (amtierender Dreifachweltmeis- ter bei den Juniors I, Anm. d. Red.) bewegt, wie ehrgeizig er in diesem Alter schon ist und wie groß seine Liebe zum Tanzen ist. Wie würdest Du Deinen Stil beschreiben? Ich habe tatsächlich mal andere Leute gefragt, was mich ihrer Meinung nach ausmacht, wenn ich tanze. Viele haben gesagt, dass ich einen sehr athletischen Stil habe, aber dass 38 tanzspiegel VII–24 ich meine Hände sehr feminin bewege. Ich glaube aber auch, dass ich sehr beweglich mit meinem Kopf bin und dass ich jede Bewegung bis zum Ende ausführe und alles mitnehme. Außerdem denke ich, dass ich auf der Bühne loslassen kann und dass ich mich total in meine Choreos hineinversetze. Und auch wenn ich immer noch diese Nervosität, diese Stagefright verspüre, bevor irgendwann der Adrenalinkick einsetzt, steht keine Angst in meinen Augen, wenn ich die Bühne betrete. Gibt es Bewegungen, die typisch für Dich sind? Es gibt einen Sprung, bei dem ich auf meinem Knie lande, der von einigen schon Anastasia- Sprung genannt wurde. Außerdem mache ich in vielen meiner Choreografien aus den Pirouetten heraus einen Kick nach oben, der bei manchen jetzt Anastasia-Kick heißt. Man kennt das ja eher aus dem Turnen, dass manche Übungen nach den Leuten benannt werden, die sie erfunden oder sehr häufig ge- zeigt haben. Im Tanzen ist das eher selten der Fall, weil alles aus dem Ballett stammt und schon einen Namen hat. Dass die Leute sagen, dass es Bewegungen gibt, die typisch für mich sind, ist richtig cool. Innerhalb der JMC-Szene zählst Du mit achtzehn Jahren schon zu den Promis. Was macht das mit Dir? Es schockt mich immer noch (lacht). Als ich neulich bei einem Wettbewerb auf die Bühne ging, hörte ich in der ersten Reihe einige Kinder flüstern „Das ist Anastasia, das ist Anastasia“ (lacht). Das war so ein krasses Gefühl. Da ich mit dem Tanzen aufgewachsen bin, weiß ich genau, wie es sich anfühlt, wenn man auf einem Wettkampf jemanden sieht, den man toll findet und mit dem man unbedingt ein Foto machen möchte. Auf meinem Handy gibt es unzählige alte Bilder von meinen damaligen Vorbildern, von denen ich den Großteil heute zu meinen Freunden zähle. Und deshalb sage ich natürlich ja, wenn die Kids mit diesen kleinen Gesichtern, aber so großen Träumen und Zielen, heute ein Foto mit mir machen möchten. Es ist so schön zu sehen, wenn die Kleinen sagen, dass sie einmal genauso arbeiten möchten wie ich. Das holt einen auch selbst ein wenig runter, vor allem, wenn man beispielsweise zu Hause an sich selbst zweifelt, was zum Tanzen ja einfach dazugehört. Dann erinnert man sich an diese kleinen Fans, erinnert sich an das, was man schon erreicht hat, und ist weniger hart zu sich selbst. Unzertrennlich: Die Liebe zum Tanzen teilt Anastasia mit ihrer Mutter Natalya Menzel, die ihrer Tochter nicht nur bei Wettkämpfen, sondern auch im Privat- leben immer den Rücken stärkt. Foto: privat Athletisches Tanzen und feminine Hände sind Elemente des persönlichen Stils der Echingerin. Foto: Andreas Hofmann